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Familienunternehmen im Tourismus

Wodurch zeichnen sich Familienunternehmen aus und mit welchen Herausforderungen sind diese konfrontiert?
Zentrum Familienunternehmen
Laut KMU Forschung Österreich sind 17.400 Betriebe in Tirol Familienunternehmen, das sind 85% aller Tiroler Unternehmen.

TTR: Was unterscheidet Familienunternehmen von „herkömmlichen“ Unternehmen?

Anita Zehrer: Eine der zentralen Stärken von Familienunternehmen gegenüber Nicht-Familienunternehmen und gleichzeitig wesentliche Besonderheit von Familienunternehmen besteht darin, dass durch die enge Verzahnung von Familie und Betrieb Entscheidungen in Familienunternehmen gleichermaßen von sachlichen und emotionalen Motiven geleitet werden. Weiters verfügen Familienunternehmen grundsätzlich über ein positives Image und einen hohen Stellenwert, denn sie haben eine starke Verankerung in der Region bzw. Destination.  Durch die Einbindung der Familie in das Unternehmen, stehen Familienunternehmen für Nachhaltigkeit, menschliche Verbindlichkeit, und sie sind authentisch. Sie sind Sympathieträger und damit ein Gegenpol zu anonymen Managern und gesichtslosen Konzernen. Familienunternehmer stehen mit ihrem Namen ein -  für Stabilität und Qualität.

TTR: Was ist die größte Herausforderung für ein Familienunternehmen?

Anita Zehrer: Obwohl viele Familienunternehmen als besonders erfolgsträchtig und überlebensfähig gelten, sind sie in einem Punkt äußerst krisenanfällig  -  nämlich bei der Übergabe an die nächste Generation. So belegen Studien, dass es von den 85% der Familienunternehmen weltweit nur 67% in die zweite, 32% in die dritte und 16% in die vierte Generation schaffen.

TTR: Wie viele touristische Unternehmen stehen in Tirol in der nächsten Zeit vor einer Unternehmensnachfolge? Wie viele davon sind Familienbetriebe?

Anita Zehrer: Laut KMU Forschung Österreich sind 17.400 Betriebe in Tirol Familienunternehmen, das sind 85% aller Tiroler Unternehmen. Diese Betriebe beschäftigen 128.500 Personen. Die Sparte Tourismus weist mit 92% in Tirol einen überdurchschnittlichen Anteil an familiengeführten Betrieben auf. In den nächsten 15 Jahren stehen in Tirol rund 11.500 Unternehmensübernahmen an; das sind 27 % aller gewerblichen Unternehmen mit rund 65.000 Beschäftigten. In der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft sind es 30%, das sind ca. 2.600 Betriebe. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig der Weiterbestand der Familienbetriebe in Tirol für die Volkswirtschaft ist.

TTR: Was sind die zentralen Probleme bei der Übergabe? Wie kann man diesen Prozess optimieren?

Anita Zehrer: Da ein Generationenwechsel nicht von heute auf morgen von statten geht, ist dieser als systematischer Prozess zu sehen, der als schleichende Entwicklung beginnt und einer detaillierten Planung bedarf. Beim Generationenwechsel in Familienunternehmen gilt es, nicht nur steuerliche, gesellschaftsrechtliche und finanzwirtschaftliche, sondern ebenso psychologische und emotionale Aspekte zu berücksichtigen. Denn der Generationenwechsel hat einen sehr hohen emotionalen Stellenwert, weil Grundfragen der unternehmerischen aber auch persönlichen Existenz berührt werden.

TTR: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Fehler, die bei der Übergabe gemacht werden?

Anita Zehrer: Die Betriebsübergabe in Familienunternehmen ist wesentlich durch die Motivation und das Engagement der am Prozess beteiligten Personen gekennzeichnet. Generationswechsel heißt, zwei Generationen sind im Wechsel, beide, Junior und Senior, sind vom Wechsel gleichzeitig betroffen. Ein Risiko liegt eben in genau diesem Zusammentreffen zweier Generationen. Oftmals hält sich der Unternehmer für unersetzlich und kann nicht los lassen, oft möchte die nachfolgende Generation alles anders machen. Gerade bei der Betriebsübergabe ist daher gegenseitiges Vertrauen von größter Bedeutung. Ein weiteres Risiko liegt in der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. Das Hinauszögern oder das Ignorieren der essentiellen Nachfolgeregelung zieht Probleme mit sich. Es gibt hier zwei Extreme: a) es wird zu früh übergeben und der Übernehmer tritt unvorbereitet in das Unternehmen ein, oder b) der Senior kümmert sich überhaupt nicht um seine Nachfolge und diese wird verschlafen. Beides ist gleichermaßen schädlich für den Betrieb. Eine gut vorbereite Nachfolgeplanung erhöht demnach die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Übergabe.

FH-Prof. PD MMag. Dr. habil. Anita Zehrer

Forschungsschwerpunkt
Familienunternehmen, Betriebsübergabe
Position bzw. Aufgabe
Hochschullektorin & Leiterin des Zentrums Familienunternehmen

Anita Zehrer ist Leiterin des Zentrums Familienunternehmen am MCI Management Center Innsbruck.