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Immaterielles Kulturerbe in Tirol

Wampeler Reiten Axams/Tirol
Tirol ist mehr als alpine Landschaft, mehr als Sport- und Urlaubsdestination. In Tirol sind alte Bräuche und Kultur in verschiedenen Regionen bis heute wichtiger Bestandteil. Im "Immateriellen Kulturerbe" der UNESCO sind deshalb mehr als 20 Einträge verzeichnet. Da lohnt es sich, einen näheren Blick darauf zu werfen.

Was bedeutet immaterielles Kulturerbe?

Im Mittelpunkt steht hier - wie der Name bereits verrät - kein greifbares Monument, sondern Wissen und Tradition. Diese Bräuche wurden über Jahrhunderte von Generation weitergegeben, weiterentwickelt und weiterverbreitet und prägten das Zusammenleben im alpinen Raum. In Abstimmung mit dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes werden diese kulturellen Schätze auch in Österreich dokumentiert und sichtbar gemacht. UNESCO steht für "United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization" und setzt sich für den Erhalt von Naturwundern, aber auch von gesellschaftlichen Praktiken weltweit ein. So kann nicht nur die Geschichte einzelner Regionen besser verstanden werden, sondern auch wodurch die gegenwärtige Kultur und das Zusammenleben geprägt ist. In Tirol gibt es mehr als 20 verschiedene Einträge in den Kategorien "Mündliche Tradition", "Darstellende Künste", "Gesellschaftliche Praktiken", "Umgang mit der Natur" und "Traditionelles Handwerk". Vier dieser schwer greifbaren Schätze in Tirol stellen wir in diesem Beitrag vor. Die gesamte Liste für immaterielles Kulturerbe in Tirol gibt es auf der Homepage der UNESCO.

 

Ötztaler Mundart ("Mündliche Tradition")

Das erste Beispiel bereitet so manchen Nicht-Ötztalern hin und wieder Kopfzerbrechen. Wer Begriffe wie "drwilden", "inkenten" und "enat" einwandfrei versteht, dürfte zu den aktiven Sprechern des Ötztaler Dialekts gehören. Sonst ist die Ötztaler Mundart für Ungeübte oft schwer zu verstehen. Die Gemeinden Umhausen, Längenfeld, Sölden, Ötz sowie teilweise Sautens und Haiming überliefern die lokale Sprachvariante seit etwa 200 Jahren. Zwischen 8.000 und 15.000 aktive Sprecher und Sprecherinnen nutzen den Ötztaler Dialekt heute und geben diesen auch an die junge Generation weiter. Als lebende Sprache gehen manche Begriffe verloren, gleichzeitig entstehen jedoch neue.

Ötztal, Umhausen, Niederthai - ©Tirol Werbung / Burtscher Matthias

Nicht nur die Landschaft im Ötztal bleibt in Erinnerung. Auch so manche neuen "Wortschätze" kommen aus dem Urlaub mit nachhause. ©Tirol Werbung / Burtscher Matthias

 

Sternsingen im Villgraten ("Darstellende Künste")

Sternsinger gibt es in vielen österreichischen Gemeinden zwischen Weihnachten und dem  Fest der Heiligen Drei Könige. In Innervillgraten und Außervillgraten hat diese Tradition jedoch besonderen Stellenwert. Die Chorgruppen legen besonderen Wert auf die Begegnung. Neben einem kleinen Repertoire an Gesangsstücken sammeln die Sternsinger den im "Stibich" (ein Tragekorb aus gedroschenem Korn) Lebensmittel und Getränke für das anschließende gemeinsame Stibichtreffen. Diese Tradition soll die Dorfgemeinschaft stärken und den Austausch untereinander stärken.

 

 

Mullern und Matschgern in den MARTHA-Dörfern ("Gesellschafltiche Praktiken")

Seit Jahrhunderten treiben Hexen, Zaggler und Zottler, Melcher und Spiegeltuxer ihr Unwesen in den Dörfern nördlich von Innsbruck. In den MARTHA-Dörfern (Mühlau, Arzl, Rum, Thaur und Absam) ist der Brauch fest in die Dorf- und Vereinslandschaft eingebunden. Das Abmullen als Abschluss des Trubels findet in Bauern- und Wirtshäusern statt, die Dorfgemeinschaft ist nicht nur Publikum, sondern auch bei der Vorbereitung auf den Brauch integriert. Der Fasnachtsbrauch und die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Gruppen wurden durch den gemeinsamen Antrag auf die Aufnahme als immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe gestärkt und als Tradition noch stärker verankert. Unter der Kategorie "Gesellschaftlichen Praktiken" finden sich noch viele weitere Fasnachtsbräuche in Tirol

 

Zweidrittelgericht Landeck ("Umgang mit der Natur")

Der nächste Eintrag in der Liste des immateriellen Naturerbes der UNESCO könnte so auch bei der Millionenshow als Frage stehen. Unter "Zweidrittelgericht" versteht man: A) eine kleine Portion B) eine mathematische Gleichung aus dem antiken Griechenland oder C) eine historische Form der Almwirtschaft. Die richtige Lösung? Antwort C. Das Zweidrittelgericht beschreibt die einzigartige Bewirtschaftung der Almen in der Region rund um Landeck und ist maßgeblich für die Planung der Almsommer. Entschieden wird das bei der sogenannten "Hutverlassung". Dort treffen sich Bauern und Bürgermeister von rund elf Gemeinden, ziehen ein Fazit über das letzte Jahr und planen den nächsten Sommer. Bei dieser Versammlung werden die Almen auch an die Hirten vergeben. Diese Assessment-Center nach Jahrhunderte alter Tradition soll die Bewirtschaftung und Wertschätzung der Almen für kommende Generationen gewährleisten.

© Tirol West  - Blick auf Landeck

Der Blick auf die Region Landeck, in der man das traditionelle Zweidrittelgericht findet. © Bildarchiv Tirol West

Die überlieferten Traditionen in Tirol und in ganz Österreich prägen die Wurzeln als auch die Gegenwart und die Zukunft der Region in vieler Hinsicht. Von der landschaftlichen Gestaltung und Pflege der Almwirtschaft zu den geselligen Bräuchen, die Tirol seinen ganz eigenen Charakter geben, das immaterielle Kulturerbe der UNESCO  leistet zur Erhaltung und Sicherung dieser gesellschaftlichen Praktiken im heutigen Tirol und in der Zukunft einen wesentlichen Beitrag. Beim nächsten Besuch in Tirol wirft man so vielleicht einen genaueren Blick auch hinter die Landschaft, hinein in das Leben in Tirol.

 

Titelbild: ©Tirol Werbung / Kranebitter Klaus

Monica Nadegger MA

Forschungsschwerpunkt
new forms of organizing, digitalization, communication, materiality & tourism
Position bzw. Aufgabe
PhD Studentin

Nach dem Bachelorstudium „Journalismus und PR“ an der FH Joanneum in Graz und dem Master in „Sport-, Kultur- und Veranstaltungsmanagement“ an der FH Kufstein startete Monica Nadegger Ende 2018 am MCI Tourismus und zeitgleich das PhD Studium Management an der Universität Innsbruck. Nach knapp 4 Jahren im Online-Marketing beim TVB Innsbruck als Leiterin des Blog-Redaktionsteams und Social Media Manager und als Mitglied des Doktoratskollegs „Organizing the Digital“ vereint sie am TTR ihr Interesse für Wissenschaft, Tourismus und digitale Kommunikation.

„Als Wissenschaftsplattform für den Tiroler Tourismus schafft ttr.tirol nicht nur eine Schnittstelle für Wissenschaft und Praxis, sondern versucht, Daten und Inhalte aufzubereiten und verständlich und ansprechend darzustellen."

Im TTR Team seit: Anfang 2018

Zuständig für: Content Strategie und Produktion, Website, Social Media