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Leadership und Team Performance in saisonalen Teams

Was MitarbeiterInnen in agilen Teams zur Wiederkehr für die nächste Saison motiviert
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Für ihre Masterarbeit führte Johanna Wiberg qualitative Tiefen-Interviews mit Mitarbeiter:innen aus verschiedenen saisonalen Teams in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft.

TTR: Wieso ist das Thema für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant?

Johanna Wiberg: Viele Unternehmer:innen in der Tourismuswirtschaft haben ein oder zwei Saisonen, in denen der Großteil des Umsatzes verdient wird. Aufgrund der saisonalen Art ist es schwierig, Mitarbeiter:innen zu motivieren in den Unternehmen zu bleiben, weil sie sich für die Zwischensaison entweder einen zweiten Job suchen oder sich arbeitslos melden müssen. Wenn eingeschulte Mitarbeiter:innen die Unternehmen verlassen, gehen viele Kenntnisse und gesammelte Erfahrungen verloren. Zudem kostet es Geld, neue Mitarbeiter:innen zu finden und einzuschulen. Meine Studie zeigt, dass obwohl viele Mitarbeiter:innen die Unternehmen verlassen, um ein Studium zu beginnen oder in eine andere Branche einzusteigen, ist es doch möglich mit Motivatoren und mit überlegtem Leadership-Stil die Mitarbeiter:innen zu motivieren zurückzukehren. Dadurch können Unternehmen Geld einsparen und zusätzlich die Servicequalität sichern. Zum Beispiel kennt eine Mitarbeiter:in, der/die schon zwei Saisonen in dem Unternehmen verbracht hat, die Werte des Unternehmens und kann sowohl Stammgästen als auch neuen Gästen die erwartete Servicequalität liefern. Wenn Mitarbeiter:innen dem Unternehmen auch emotional verbunden sind, stellen sie die Qualität der neuen Mitarbeiter:innen sicher.

TTR: Welche Erkenntnisse in Bezug auf die Treiber erfolgreicher Team Performance konnten Sie in Ihrer Arbeit gewinnen und welche Bedeutung haben verschiedene Führungsstile für KMUs in touristischen Destinationen?

Johanna Wiberg: Saisonale Teams funktionieren etwas anders als Teams in Unternehmen mit Ganzjahresverträgen. Die meisten Teilnehmer der Studie haben Motivatoren wie fixierten Zeitraum, Menschen kennenlernen, Status, Auszeit, und „try something new“ als Gründe angegeben, warum sie in einem saisonalen Unternehmen gearbeitet haben. Nur Einheimische haben Geld als Grund angegeben. Diese Erkenntnis lässt darauf schließen, dass ein Leader in einem saisonalen Team sich nicht unbedingt an den normalen Richtlinien von Team Performance orientieren kann, sondern eher auf die unterschiedlichen Motivatoren der MitarbeiterInnen konzentrieren muss. Wenn zum Beispiel Mitarbeiter:innen dort sind, um neue Leute kennen zu lernen, ist die Community sehr wichtig. Bei Mitarbeiter:innen, für die Self-Fulfillment wichtig ist, können extra Training oder besondere Aufgaben motivierend sein. Auch Mitarbeiter:innen, für die der fixierte Zeitraum ein Hauptgrund ist, können motiviert werden zurückzukehren.

Die Studie zeigt auch, dass die Herkunft der MitarbeiterInnen einen Unterschied machen kann. Für immigrierte Mitarbeiter:innen ist das Community-Gefühl sehr wichtig für das Wohlbefinden und die Wiederkehr. Hingegen ist für einheimische Mitarbeiter:innen  eher Geld und der fixierte Zeitraum motivierend, weil sie in den Ferien oder der Urlaubzeit aushelfen können. Studienteilnehmer:innen, die mehrere Saisonen gearbeitet haben, erwähnten als zusätzlichen Motivator zur Wiederkehr mehr Verantwortung und/oder einen höheren Status.   

Nach bisherigen Studien ist das Risiko für Social Loafing (Faulenzen aufgrund von Gemeinschaftsbildung) niedriger, wenn die Teammitglieder sich intern gut kennen. Tourismuswirtschaftlichen Unternehmen wie z.B. Alpendestinationen, Kreuzfahrtschiffen und Alpenhütten haben einen Vorteil durch die leicht isolierte Location. Viele Teilnehmer haben 6-tägige Arbeitswochen, sodass es in der Freizeit nicht immer möglich ist, den Arbeitsort zu verlassen. Dadurch lernen sich die Mitarbeiter näher kennen und Social Loafing wird potenziell vermieden. Dennoch ist eine komplette Isolation nicht erstrebenswert und ersetzt keine sozialen Events.

Saisonale Teams unterscheiden sich auch durch die Anwesenheit vom Leader. In saisonalen Teams ist der Leader mehr anwesend im Daily Business (z.B. Hotelmanager, Oberkellner und Skischulbesitzer) und kann dadurch als Support für die MitarbeiterInnenn wirken. So hat er/sie auch die Möglichkeit, schnell ineffektive Arbeitsweisen derMitarbeiterInnenn zu bemerken und Servicequalität zu sichern sowie mögliche Kundenbeschwerden sofort zu lösen. Ein Großteil der Teilnehmer:innen haben in diesen Zusammenhang Lob an ihre Führungskräfte ausgesprochen für ein Gefühl von „having their backs“. Diese sowie auch andere Studien zeigen also, dass Vertrauen sehr wichtig ist und die Mitarbeiter:innen in saisonalen Teams fast eine Art Vertrauensvorschuss bekommen. Solange dieser nicht gebrochen wird, steht der Leader in allen Situationen hinter seinen Mitarbeiter:innen. Dieser Vertrauensvorschuss kann auch als Performancetreiber wirken, wenn Mitarbeiter:innen den Leader nicht enttäuschen wollen.

TTR: Welche konkreten Handlungsempfehlungen geben Sie in Ihrer Masterarbeit?

Johanna Wiberg: Aus meinen Erkenntnissen fasse ich folgende Empfehlungen zusammen:

  • Klare Erwartungen: Studien haben gezeigt, dass MitarbeiterInnen, die sich beim Arbeitsanfang die Aufgaben oder die Arbeit anders vorgestellt haben, nur für eine Saison bleiben. Durch klare Erwartungen können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sicherstellen, dass beide Seiten zufrieden sind. So bekommt der Mitarbeiter eine gute Chance auch die Erwartungen vom Arbeitgeber zu erfüllen.
  • Sozialisierung: Sozialisierung kann helfen, schneller ein Community-Gefühl zu bekommen. Viele von den MitarbeiterInnenn kommen von außerhalb und können etwas Hilfe gebrauchen, um die Arbeitskollegen, die Destination und das Unternehmen kennen zu lernen.
  • Erfahrene Mitarbeiter korrekt einsetzen: Wenn MitarbeiterInnen sich entscheiden bei dem Unternehmen zu bleiben, ist es wichtig, dass sie auch richtig eingesetzt werden und dass sie motiviert werden, ihre Erfahrungen mit den Neuen zu teilen. Z.B. können erfahrene Mitarbeiter einen Teil vom Training übernehmen, Sozialisierungsevents planen oder für besondere Gäste zuständig sein. Alles kann als Motivator wirken.
  • Leadership-Stil anpassen: Jede/r MitarbeiterIn wird unterschiedlich motiviert und hat unterschiedliche Gründe dort zu sein. Die ständige Anwesenheit des Leaders im Daily Business und der intensive Kontakt mit den MitarbeiterInnen macht es möglich, den Leadership-Stil besser anzupassen.  
  • Feedback & Kommunikation: Laut der TeilnehmerInnen findet Feedback sehr wenig statt. Oft wurde der Begriff „no news is good news“ erwähnt und ein Großteil der Kommunikation ist nur one-way (vom Leader nach unten). Mehr Feedback könnte als Motivation wirken und helfen, die Servicequalität zu sichern. Verteilung von Arbeitsaufgaben können one-way bleiben, aber auch eine Art von Dialog kann Mitarbeiter:innen motivieren. Wenn MitarbeiterInnen sich gehört fühlen, wächst die emotionale Verbindung zum Unternehmen.
Johanna Wiberg

Johanna Wiberg

Johanna Wiberg, gebürtig aus Schweden, studierte den Bachelor "Kommunikation & Media" in Växjö und kam dann für den Master "Entrepreneurship & Tourism (Marketing Management) nach Innsbruck zum MCI Tourismus. Berufliche Erfahrungen sammelte sie bisher sowohl im Marketing, Kundenservice und Eventbereich als auch als Ski- und Snowboardlehrerin und Fitnesstrainerin. Aktuell ist Johanna Wiberg als Sales Managerin für die Travel Europe GmbH in Stans tätig. 

Hier geht's zur Website von Johanna Wiberg.

Masterarbeit Betreuung: FH-Prof. Mag. Dr. Claudia Mössenlechner

 

Titelbild by Tirol Werbung

Datum: 11.05.2021