Direkt zum Inhalt

Nachhaltige Angebote für eine junge Zielgruppe im Wipptal

Ergebnisse des Service Design Seminars am MCI Tourismus
Service Design Wipptal
Jedes Jahr findet am MCI Tourismus eine Lehrveranstaltung zum Thema "Service Design im Tourismus" statt. 2022 wurde diese mit dem TVB Wipptal als Praxispartner umgesetzt.

Das Wipptal und seine Seitentäler gelten für Einheimische zum Wandern, Skitouren gehen oder Rodeln als Geheimtipp. Vor allem bei jungen Gästen ist die Region jedoch wenig bekannt. Mit dieser Herausforderung beschäftigten sich Studierenden des 2. Semester Master "Entrepreneurship & Tourismus". Anstatt nur theoretisch zu lernen, was hinter dem Denkansatz Service Design steckt und welche Konzepte, Methoden und Prozesse dahinter liegen, arbeiten die Studenten im Seminar "Service Design in Tourism" an einem konkreten Praxisprojekt und erleben, wie ein Service Design Prozess aussehen kann.

An drei Tagen durchleben die Studierenden einen Service Design Sprint und starten mit einer ersten Einführung ins Thema Service Management und einigen Konzepten hinter dem Denkansatz bzw. der Frage nach ihrer Abgrenzung. Damit endet der theoretische Input dann aber auch schon. Schnell wendet man sich der praxisorientierten Problemstellung zu und der TVB Wipptal präsentiert den knapp 45 Studierenden erstmals die Region. Neben geografischen Kenntnissen - wo liegt das Wipptal überhaupt bzw. was gehört hier dazu? - bekommen die Studierenden Einblick in das bestehende Angebot, Strukturen, Strategien, aber auch die zentralen Herausforderungen der Region.

Tag 1 - Die Challenge

Dieses Jahr lag die Challenge darin, nachhaltige Produkte für eine „junge Zielgruppe“ in der Region Wipptal zu erarbeiten. Der Rahmen dafür ist vorgegeben. Während man ein fiktives, aber realistisches Budget von €10.000 vorgegeben hat, sind der Kreativität und dem Ideenreichtum keine Grenze gesetzt. Nach einer Q&A Session werden erste, grobe Forschungsfragen definiert sowie ein Leitfaden für Experteninterviews vorbereitet. Online wurden anschließend im Rahmen von Befragungen die Kenntnisse über die Region aus der Sicht unterschiedlicher StakeholderInnen der Region - vom TVB über Beherbergungsbetriebe, Seilbahn, Schischule, Schutzgebietsbetreuer bis hin zum österreichischen Alpenverein weiter vertieft. Nach dieser ersten Runde der Datenerhebung hatten die Studierenden die Aufgabe, in die Region zu fahren und mit Hilfe von Autoethnographie das Angebot selbst zu erleben und zu dokumentieren bzw. weitere Stakeholder wie bspw. Gäste, MitarbeiterInnen oder Leistungsträger zu befragen. Damit wird erheblich Zeit aufgewandt, um das richtige Problem zu identifizieren, anstatt voreilig nach Lösungen für das - vielleicht - falsche Problem zu suchen.

Tag 2 - Vom Problem Space zu Solution Space

All diese Erkenntnisse wurden am zweiten Tag des Seminars in einem digitalen Kollaborationstool namens Miro gesammelt, auf einer Research Wall visualisiert sowie die Flut der Daten auf das Wesentliche reduziert und priorisiert. Darauf aufbauend wurden sogenannt Key Insights als Problemstellungen definiert und "How might we..." Fragen für mögliche Lösungswege ausformuliert (siehe exemplarisch nachfolgende Bilder).

Research Wall Service Design Wipptal Key Insights Service Design Wipptal

 

How might we questions Service Design Wipptal
Research Wall, Key Insights & HMW verschiedener Gruppen.

Nachdem unterschiedliche Problemstellungen klar definiert worden sind, erfolgt im klassischen Prozess der Übergang vom Problembereich (problem space) in den Lösungsbereich (solution space). Aufbauend auf die HMW-Fragen werden nun anhand der Crazy 8-Methode individuell Ideen gesammelt und anschließend in der Gruppe diskutiert. Um diese Ideen zu priorisieren, werden sie auf einer Ideenwand anhand der Impact-Effort Matrix positioniert. Ebenso startet am zweiten Tag noch die erste Runde Prototyping, um die Ideen einem ersten Praxistest zu unterziehen. Ganz nach dem Motto "fail early, fail cheap" müssen die Studierenden ihre Konzepte mehreren Tests unterziehen, da erfahrungsgemäß nur 20% der Ideen auch wirklich in der Realität funktionieren. Als erste Runde wurde dafür eine Service Ad erstellt, sprich ein Poster, mit dessen Hilfe die Grundidee visualisiert wird. Nachdem die Aufmerksamkeitsspanne für ein Poster nur wenige Sekunden beträgt, müssen die Studierenden hier drei ihrer Ideen in kürzester Zeit auf den Punkt bringen.

Idea Wall Service Design Wipptal

Service Ad Service Design Wipptal
Idea Wall und Service Ad

Tag 3 - Ideenumsetzung und Präsentation

Tag 3 steht ganz im Zeichen weiterer Tests zur Praxis- bzw. Umsetzungstauglichkeit. Um die an und für sich immateriellen und intangiblen Dienstleistungsangebote ähnlich einem physischen Produkt testen zu können, werden unterschiedliche Prototypen zur besseren Visualisierung nachgebaut. Dies kann beispielsweise über Desktop Walktroughs, Lego Serious Play oder Cardboard Prototypings erfolgen. Was im ersten Moment wie eine Bastel- und Spielstunde wirkt, stellt sich schnell als sinnvolle und einfache Methode heraus, um verschiedene Ideen für Dienstleistungen in visualisierter Form durchzuspielen. Dadurch kann man umfangreiches Feedback einholen und die entwickelten Prototypen im Rahmen von weiteren Iterationen laufend verbessern.

Feedback erhielten die Studierenden für ihre Prototypen in hybrider Form - teilweise in Präsenz und teilweise online von ExpertInnen aus den Bereichen Tourismus, Nachhaltigkeit sowie von der jungen Zielgruppe. Diese Rückmeldung wurden in die bestehenden Prototypen eingebaut, verschiedenen Ideen miteinander verbunden, neue Aspekte hinzugefügt oder bestehende abgeändert, um so bessere Lösungswege zu entwickeln. Den Abschluss des Tages bildete eine Präsentation in Form eines Elevator Pitches, bei dem die Studierenden ihren finalen Prototypen in nur 3min präsentieren mussten. Die Studierenden mussten sich untereinander Feedback zur Präsentation geben und ihren Favoriten küren. Gewonnen hat das Team 1 mit dem Projekt "Ein Bett im Wipptal", eine Übernachtung in der freien Natur. Weitere spannende Ideen waren ein Silent Nature Festival, eine Wippe als Insta-Spot für junge Menschen, ein kombiniertes Gondel-Dinner mit Konzert bei Sonnenuntergang auf der Bergeralm namens Wippdown, einem Alm & Yoga Retreat, WippWorkation, einer Geocaching Tour auf Spotify oder einem Strategieprozess als Event im Tal "Gemeinsam, statt einsam".

Desktop Walkthrough

Prototyping Service Design Wipptal
Prototypen mehrerer Gruppen

Fazit

Für mich war vor allem interessant zu erfahren, welches Potenzial junge Menschen im Tourismus im Wipptal sehen. Es war schön zu hören, dass es auch jungen Menschen vermehrt wichtig ist, dass eine Urlaubsdestination unberührte Natur bietet. Es waren viele spannende Ideen dabei, einige davon werden wir sicher aufgreifen und weiterverfolgen.“

Helga Beermeister, Geschäftsführerin des TVB Wipptal

Unser Dank gilt dem TVB Wipptal und hier besonders Judith Hammer und Helga Beermeister als auch Andreas Pittl vom Almi's in Obernberg und den vielen weiteren InterviewpartnerInnen sowie TesterInnen. Zudem dürfen wir uns bei unseren Kollegen Markus Hormeß von work.play.experience und Klaus Schwarzenberger von Smaply ganz herzliche für die gute, langjährige Zusammenarbeit bedanken!

Dr. Birgit Bosio

Forschungsschwerpunkt
Tourismustrends, Service Design, Customer Experience, Alpiner Tourismus, Nachhaltigkeit & Tourismus
Position bzw. Aufgabe
Hochschullektorin

Birgit Bosio hat den ersten Diplomjahrgang des MCI Tourismus absolviert und anschließend zwei Jahre in der Marktforschung der Tiroler Werbung gearbeitet. Gemeinsam mit Hubert Siller (MCI) und Michael Brandl (ehemals TW) zeichnet sie für die Entstehung des TTR verantwortlich. 2016 hat sie an der Universität Salzburg promoviert.

“Die Arbeit mit dem TTR ist spannend, da man sich täglich mit neuen Entwicklungen & Trends beschäftigen und ständig am Ball bleiben muss. Gleichzeitig stellt es aber dauernd eine Herausforderung dar, dem Nutzer diese Informationen kundengerecht und in der richtigen Dosis interessant aufzubereiten.”

Im TTR Team seit: November 2006

Zuständig für: Strategie & Konzeption, Tourismusforschung, Content Management, Social Media

Janosch Untersteiner MA

Forschungsschwerpunkt
Touristische Wettbewerbsfähigkeit von Destinationen, Marketing-Controlling & Service Design
Position bzw. Aufgabe
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Janosch Untersteiner hat im Jahr 2002 den 2-jährigen Lehrgang zur “Diplomierten Fachkraft für das Hotel- und Tourismusmanagement” besucht. Nach mehrjähriger Berufserfahrung  absolvierte er das Bachelor- und Masterstudium am MCI Tourismus. Seit 2013 ist Janosch wissenschaftlicher Mitarbeiter am MCI Tourismus.

“Der ttr.tirol ist eine spannende Online-Plattform, die touristisches Expertenwissen einfach und übersichtlich für die touristische Praxis aufbereitet. Mein Ziel ist es, komplexe statistische Daten flexibel, einfach und übersichtlich aufzubereiten und in Zusammenhang mit aktuellen Entwicklungen zu setzen.”

Im TTR Team seit: Februar 2013

Zuständig für: Strategie & Konzeption, Tourismusforschung, Destination Performance

Datum: 05.04.2022