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Content-Marketing & Erlebnisdynamik im Destinationsmanagement

Ein Interview mit Christof Willms über seine Masterarbeit
Marketing
"Oft ist der bestmögliche theoretische Vorgang aufgrund fehlender Flexibilität auf Anbieterseite und hoher Individualität des Gastes schwierig umzusetzen. Im strategischen Bereich kann hier eine Content-Marketing-Strategie Möglichkeiten zur Differenzierung schaffen sowie zu einer effektiveren Nutzung der Themen- und Content-Vielfalt führen."

TTR: Was sind die zentralen Punkte des dynamischen Kundenerlebnisses im touristischen Kontext?

Christof Willms: Ein wesentlicher Treiber des dynamischen Kundenerlebnisses ist die zeitliche Korrelation, die sich während der gesamten Customer Journey zwischen dem Gast und der Destination ergibt. Besonders in der Vorreisephase greifen Touristen häufig auf die Erinnerungen an vorhergegangene Reiseerlebnisse zurück und versuchen, diese auf ihre zukünftig erwarteten Reiseerlebnisse zu projizieren. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Bewertung der Erinnerungen in Relation zum Erlebten. Die Erinnerung hängt stark von sogenannten „Erlebnis-Highlights“ des Aufenthalts ab. Es erfolgt also eine emotionale Bewertung von Erinnerungen an Erlebnisse. So besteht bei Touristen häufig die Tendenz persönliche Erlebnisse, die während des Urlaubsaufenthalts stattgefunden haben, nach der Reise in der Rückschau positiver zu bewerten, als sie ursprünglich empfunden wurden.

TTR: Welche Aspekte sind für Tiroler Destinationen im strategischen und operativen Content Marketing zu beachten?

Christof Willms: Eine Kernerkenntnis ist, dass Destinationen im Alpenraum Kundenerlebnisse durch den Einsatz von Content-Marketing nur entscheidend beeinflussen können, sobald dieses den dynamischen Reisephasen entsprechend adaptiert wurde. Oft ist der bestmögliche theoretische Vorgang jedoch aufgrund der fehlenden Flexibilität auf Anbieterseite und der hohen Individualität des Gastes schwierig umzusetzen. Im strategischen Bereich kann hier das Definieren einer Content-Marketing-Strategie Differenzierungsmöglichkeiten (USP) schaffen sowie zu einer effektiveren Nutzung der Themen- und Content-Vielfalt führen. Des Weiteren besitzen Destinationen meist eine Vielfalt an Themen und Erzählungen, die sich gut für den Einsatz von Storytelling eignen. Da sich Nutzer dadurch noch intensiver mit dem jeweiligen Land, der Kultur und den Menschen auseinandersetzen, kann strategisch gesehen durch Storytelling langfristig eine emotionale Bindung zwischen Gast und Destination aufgebaut werden. Vor allem der starke Zielgruppenfokus kann als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Content-Marketing-Strategie gesehen werden. Wir Menschen sind interessengesteuert, was bedeutet, dass wir meist nur die Inhalte wahrnehmen, die für uns relevant sind. Im ausführenden Content-Marketing bietet es sich an auf emotionsgeladene Medien wie zum Beispiel auf Live-Videos, 360-Grad- sowie POV Point of View-Aufnahmen zu setzen.

TTR: Welche Handlungsempfehlungen lassen sich aus Ihren Kernergebnissen für Tiroler Destinationen ableiten?

Christof Willms: Um die vorher genannte Relevanz zu erzeugen, müssen Destinationen versuchen einen zielgruppenspezifischen Mehrwert zu erzeugen. Dieser Mehrwert kann sowohl informativ und problemlösend als auch emotional und unterhaltend sein. Die Voraussetzung dafür ist zum einen die Identifikation der richtigen Community mitsamt ihrer Bedürfnisse, Interessen, Werte und Sprache, sowie zum anderen eine authentische Ansprache dieser. So eignen sich authentische und relevante Inhalte etwa zum Schüren von Kundenerwartungen in der Vorreisephase. In einer Zeit, wo sich Gäste meist durch Webcams oder User-Generated-Content ein aktuelles Bild der Destination machen, können aufgrund retuschierter und aufgesetzter Inhalte Missverständnisse entstehen. Authentische Inhalte können vor allem durch die Kombination aus Storytelling und Video-Content erzeugt werden. In der On-Site-Phase kann das Offline-Erlebnis, welches hauptsächlich vom tatsächlichen Produkt sowie Service abhängig ist, durch ortsbasierten (Location-Based) und individuellen Content unterstützt werden. User-Generated-Content kann beim Gast vor allem in der Nachreisephase die Erlebnis-Highlights und positiven Erinnerungen erneut hervorrufen. Während der mobile Content eine zentrale Rolle im digitalen Content-Marketing alpiner Destinationen einnimmt, findet die Virtual- und Augmented-Reality-Technologie aufgrund technischer wie auch sozialer Hindernisse momentan noch zu wenig Einsatz, um auf breiter Basis Kundenerlebnisse unterstützen zu können. Destinationen die in Zukunft eine Vorreiterrolle spielen wollen, sollten laufend über neue Entwicklungen Bescheid wissen sowie auch mal gewisse Aktionen ausprobieren.

Zusammengefasst lassen sich die aufgezeigten Zusammenhänge der Erlebnisdynamiken entlang der Reisephasen mit bestimmten Content-Marketing-Maßnahmen ergänzen und in der Grafik rechts oben darstellen.

Christof Willms

Nach Abschluss seines Bachelorstudiums "Tourismus- & Freizeitwirtschaft" am MCI Management Center Innsbruck folgte das Masterstudium "Entrepreneurship & Tourismus" mit der Spezialisierung Marketing Management am MCI. Über verschiedene Praktika im Destinationsmarketing und Marketingberatung ist Christof Willms im TVB Kitzbüheler Alpen - PillerseeTal als Online Marketing Manager tätig.