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Bike-Boom

Der österreichische Fahrradmarkt unter der Lupe
SFL
Michael Nedwich vom VSSÖ berichtet über den Bike Boom der letzten Jahre und gibt Empfehlungen ab, worauf sich Bike-Destinationen in Zukunft konzentrieren sollten.

TTR: Wie hat sich der Fahrradmarkt in Österreich in den letzten 10 Jahren entwickelt?

Michael Nendwich: Der Fahrradmarkt hat sich in den letzten 10 Jahren sehr positiv entwickelt. Sowohl die Anzahl der verkauften Fahrräder als auch die Umsätze sind gestiegen. Besonders in den letzten Jahren hat sich die Fahrradbranche als treibender Wirtschaftsfaktor bewiesen. So hat sich seit 2015 der Umsatz der Fahrradbranche beinahe vervierfacht. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen und höherpreisigen Materialien und Produkten mit vielfältiger Ausstattung steigt stetig.

Erklärbar ist der Anstieg im Umsatz auch mit einem massiven Anstieg an E-Bike Verkäufen. Das sieht man in der Umsatzsteigerung und der damit zugrunde liegenden Entscheidung für höherpreisige E-Bike Modelle mit umfangreicher Ausstattung. Der Durchschnittspreis liegt für E-Bikes bei € 4.203, bei Nicht-eletrischen Fahrrädern bei € 1.790 und bei Kinder- & Jugendfahrrädern bei € 473. Im Westen, also den bergigen, touristischen Regionen, sind die Schnittpreise daher auch höher als im Osten Österreichs. Im DACH-Raum hat die Schweiz aber noch immer die höchsten Schnittpreise. 

2022 wurden 9,8 Prozent mehr E-Bikes STVO* (E-Cityräder" und „E-Trekkingräder") verkauft. Mit einer Absatzmenge von über 127.000 Stück sind sie meist verkaufte Modellkategorie der E-Bikes. Gleich danach kommt die Kategorie E-Mountainbikes mit über 105.000 Stück (+4,6%). Somit wurde letztes Jahr mit E-Bikes bereits 74% des Gesamtumsatzes mit Fahrrädern erwirtschaftet. Die Nachfrage steigt also ungebrochen: Jedes zweite in Österreich verkaufte Fahrrad ist elektrisch betrieben. Das entspricht einem Marktanteil von 49% am Gesamtmarkt bzw. 57% am Verkauf von Fahrrädern für Erwachsene. Somit entwickelt sich der österreichische Fahrradmarkt immer mehr in Richtung Premium Markt.

Infografik Ebikes

Bei den nicht elektrischen Fahrrädern wurden 2022 7% mehr Mountainbikes verkauft als im Vorjahr. Währenddessen konnte der Umsatz mit Mountainbikes um 36% gesteigert werden. Das bedeutet, dass die Kund:innen auch bei nicht-elektrisch betriebenen Mountainbikes auf Qualität und umfassende Ausstattung setzen.

Zusätzlich ist das Thema Fahrrad in den letzten 10 Jahren salonfähig geworden. Denn in Zeiten des Klimawandels und „Fridays for Furture“ ist das Fahrrad ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen und individuellen Mobilität.

Nicht-elektrische Fahrräder 2022

TTR: Seht ihr neue bzw. sich verstärkende Trends aufgrund der Covid-19 Pandemie?

Michael Nendwich: Mit der Corona-Pandemie wurde das Fahrrad nicht nur zum nachhaltigen Verkehrsmittel, sondern vor allem zum sicheren Verkehrsmittel. In Zeiten von Kontaktreduktion aber gleichzeitig dem Umstand täglich notwendige Wege sicher zu bewältigen, ist das Fahrrad eine noch wichtigere Fortbewegungsart geworden. Dies hat auch den Trend in Richtung E-Bike nochmals verstärkt.

Besonders spannend ist der massive Anstieg 2022 im Segment der E-Lastenräder. Die Verkaufsmenge hat sich zum Vorjahr nochmals fast verdoppelt – zwar auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau, dennoch scheint hier großes Wachstums-Potenzial zu sein. Denn gerade in urbanen Gebieten steigt die Nachfrage durch den vielfältigen Einsatzbereich – sei es für den privaten Transport oder gewerbliche Lieferungen. Um diese Entwicklung weiter zu unterstützen, wird mit der E-Mobilitätsförderung der Kauf von Lastenrädern mit 1.000 € gefördert. Neu dabei ist die Förderung von Falträdern, die natürlich eher für den urbanen Bereich wichtig ist. 

Transportfahrräder

Zudem zeichnet sich ein weiterer urbaner Trend hin zu Dienstfahrrädern ab. Bereits im vergangenen Jahr hatten diese einen massiven Einfluss auf die Industrie und den Handel. In den kommenden Jahren wird sich dieser weiter verstärken, da Dienstfahrräder auch als Beschleuniger für eine klimafreundliche Mobilität gelten. Dieser Trend stellt somit auch den zweiten Faktor dar, welcher die hohen Preise erklärt. Durch steuerliche Begünstigungen und Mobilitätsförderungen greifen Kund:innen gerne zu höherpreisigen E-Bikes mit Vollausstattung.

Doch nicht nur das Zurücklegen notwendiger Wege ist mit dem Fahrrad zum Trend geworden auch Freizeit und Abenteuer-Erlebnisse damit werden immer beliebter. Denn Cyclecross, Rennräder und Gravel-Bikes sind am Vormarsch. Hier hat sich die Verkaufsmenge zum Vorjahr um knapp 40% erhöht. Mittlerweile gibt es eben nicht mehr nur das eine Fahrrad, sondern zahlreiche verschiedene Arten für jeden Anlass.

TTR: Worauf sollte sich eine Destination im Bereich Bike deiner Meinung nach in den nächsten Jahren einstellen? 

Im Moment sind Bikes teilweise ein kostenlostes Add-on bei Hotelbuchungen. Hier muss es zu einer Professionalisierung kommen. Das heißt ähnlich wie im Skiverleih müssen die Fahrräder state of the art sein und auch entsprechend servisiert werden. Die Zahl jener, die in Österreich und in Verbindung mit dem Fahrrad Urlaub machen werden, wird aufgrund der Rahmenbedingungen wie Energiepreis und Inflation steigen. 

Michael Nendwich

Michael Nendwich, Geschäftsführer des VSSÖ

Michael Nendwich ist seit 2008 Geschäftsführer des VSSÖ (Verband der Sportartikelerzeuger und Sportfachhändler Österreichs). Ebenso ist er Sprecher des Sportartikelhandels in der Wirtschaftskammer Österreich, geschäftsführender Präsident der FEDAS (Federation of European Sporting Goods Retailer), Vizepräsident der FESI (Federation of the European Sporting goods Industry) und Eigentümer des Intersport Ötscher sowie der Schischule Ötscher.

Einen früheren Beitrag mit Michael Nendwich zum Thema E-Bike findet ihr hier.

Datum: 21.06.2023

Fotonachweis: Serfaus-Fiss-Ladis Marketing GmbH, Christian Waldegger, VSSÖ Arge Fahrrad