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Bindung von MitarbeiterInnen in Skischulen

Wie kann emotionale Verbundenheit bei saisonalen Beschäftigungsverhältnissen gelingen?
Skilehrer
Auf Basis einer quantitativen Befragung von SkilehrerInnen wurden die Einflussfaktoren für ihre affektive Bindung an die Skischule untersucht.

Auf dem Herbstworkshop der WK Personal 2021 am 16. & 17.09.2021 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf stellten Prof. Dr. Ivonne Preusser (TH Köln), und Denise Fecker MSc (Co-Autor: Prof. Dr. Frank Gehring, FOM) die Ergebnisse ihrer Studie zu Mitarbeiterbindung in Skischulen vor. Die Untersuchung basiert auf einer Online-Mitarbeiterbefragung mit N = 113 TeilnehmerInnen aus der Skischule Serfaus.

Relevanz

Skischulen (oder auch "Schneesportschulen") stellen einen der 5 Kernleistungsträger im Tiroler Tourismus dar. Wie auch in Hotellerie, Gastronomie, Seilbahnbranche und Sportartikelhandel üblich beschäftigen Skischulen ihre MitarbeiterInnen auf Basis von befristeten Saisonarbeitsverträgen. Je nach Größe des Betriebs können dies in Tiroler Skischulen bis zu 600 SchneesportlehrerInnen pro Wintersaison sein. 

SkilehrerInnen stellen im Kontakt mit den Gästen das Gesicht ihrer jeweiligen Skischule dar und nehmen deshalb eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Kundenzufriedenheit sowie bei der Bindung von Stammgästen ein (Johnson & Ashforth, 2008). Somit beeinflussen sie Kundenbewertungen und die Wahrnehmung der Servicequalität von Skischulen (Buonocore, 2010). Die große Herausforderung des HR-Mangements für touristische Betriebe liegt darin, dass mehr als die Hälfte der saisonalen MitarbeiterInnen in der Tourismusbranche nicht aus Tirol oder Österreich, sondern aus dem Ausland stammen (Rechnungshof Österreich, 2020). Daher ist es für Skischulen von erheblicher Bedeutung sich damit auseinanderzusetzen, wie sie ihre MitarbeiterInnen für eine Wiederkehr in der Folgesaison überzeugen können.

Das Thema Fachkräftemangel ist im Tourismus kein neues Phänomen. Dennoch hat es gerade mit Verlauf der Pandemie noch stärker an Bedeutung gewonnen. Zwar liegen für den Dienstleistungsbereich in Hotellerie und Gastronomie bereits Studien zur Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung vor, für den Bereich Skischule gibt es jedoch noch kaum empirische Befunde zu diesem Thema.

Methodik & Kernergebnisse der Studie

In der Organisationsforschung hat sich das organisationale Commitment als zentrale Zielgröße für Mitarbeiterbindung etabliert. Basis für die vorliegende Studie bildet die affektive Komponente des 3-dimensionalen Commitmentmodells nach Meyer et al. (2002). Das affektive organisationale Commitment (AOC) beschreibt die emotionale Verbundenheit von MitarbeiterInnen zu ihrer Organisation. Gemeinsame Werte, Identifikation mit organisationalen Zielen und Stolz über die Zugehörigkeit des Unternehmens bilden zentrale Merkmale der emotionalen Verbundenheit einer Person zur Organisation. Darüber hinaus zeugt AOC von hoher Einsatzbereitschaft für das Unternehmen (Felfe, 2008) sowie dem Wunsch, in der Organisation zu verbleiben (van Dick, 2004).

Zur Identifikation von relevanten Stellschrauben für das AOC von SkilehrerInnen zu ihrer Skischule wurde eine anonyme Online-Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Letztlich wurden die Antworten von 113 TeilnehmerInnen mit statistischen Analyseverfahren in der Software SPSS, PROCESS und AMOS ausgewertet. 

Modell
Konzeptionelles Untersuchungsmodell 1

Das Untersuchungsmodel 1 umfasst alle direkten möglichen Einflussfaktoren für das AOC. Die Ergebnisse der hierachischen Regressionsanalyse zeigen die folgenden Variablen als wichtigste Stellschrauben auf: 

  • Transformationale Führung
  • Förderungs- und Entwicklungsmöglichkeiten 
  • Zustimmung zur Unternehmensstrategie
  • Zufriedenheit mit Arbeitszeiten

In einem zweiten Modell wurden einzelne Stellschrauben im Hinblick auf moderierende personenbezogene Eigenschaften untersucht. Es zeigte sich, dass die Wahrnehmung von Kommunikation und Information innerhalb der Skischule mit zunehmender Betriebszugehörigkeit, d.h. bei Wiederkehr zu Folgesaisons, immer wichtiger für die emotionale Bindung der MitarbeiterInnen wird. 

Handlungsempfehlungen

Auf Basis der Erkenntnisse lassen sich konkrete Empfehlungen für Tiroler Skischulen ableiten. 

Führung. Die im Vergleich größte Einflussstärke wurde für einen transformationalen Führungsstil herausgestellt. Bei einem solchen Führungsstil wird der Mitarbeiter bei einer indirekt durch das charismatische Verhalten seiner Führungskraft beeinflusst und in seinem Verhalten transformiert (Pelz, 2016). Dabei hat eine Führungskraft, die den MitarbeiterInnen sowohl Vertrauen, Respekt, Lob und Anerkennung entgegenbringt, als auch eine Vorbildfunktion erfüllt und eine kollegiale Atmosphäre schafft, eine große Bedeutung. 

Förderung & Entwicklung. Ausreichende Angebote sowie Ermutigung und Unterstützung zur Weiterentwicklung spielt für Organisationsbindung ebenfalls eine große Rolle für die SkilehrerInnen, die auch ein starkes Commitment zur ihrem Beruf aufweisen. Weiterentwicklungsangebote in Form von  Trainings, welche die eigenen Fähigkeiten verbessern und damit den möglichen Tätigkeitsradius noch erweitern können, haben eine positive Auswirkung auf die Einstellung zur Organisation.

Kommunikation & Information. MitarbeiterInnen sollten dauerhaft in die Unternehmenskommunikation eingebunden werden. Nicht nur die Einarbeitung von neuen/jüngeren SkilehrerInnen ist von Bedeutung, sondern auch regelmäßiger Austausch mit erfahrenen MitarbeiterInnen. 

Unternehmensstrategie. Auch im temporären Beschäftigungsverhältnis spielt die langfristig festgelegte Unternehmensstrategie für die Mitarbeiter und ihre emotionale Verbundenheit zum Unternehmen eine entscheidende Rolle, da sie neben wirtschaftlichen Zielen auch Werte und Haltungen der Organisation vermittelt, welche für das affektive OC entscheidend sind (Felfe 2008). Insbesondere für die nach Sinnstiftung suchende Gen Y und Gen Z ist eine transparente Vermittlung der Strategie nicht zu vernachlässigen.

Forschungsausblick

Mit den Überlegungen zu den Stellschrauben von Mitarbeitercommitment in Skischulen wird ein wichtiger Beitrag für die Tiroler Tourismusforschung geleistet. Wie Untersuchungen von Spendlingwimmer (2011) und Schönewolf (2015) allerdings zeigen, begründen sich die Beweggründe zur Wahl der saisonalen Arbeit als SkilehrerIn in ganz individuellen Motiven. Die Erkenntnis, dass dadurch ihre Bindungsfähigkeit teils begrenzt ist, sollte in der Praxis berücksichtigt werden. Eine Identifikation der individuellen Motive oder der Art des Bindungstyps nach Felfe (2008) wurde in dieser Untersuchung nicht vorgenommen und könnte als Orientierung für zukünftige Studien dienen. Zur Identifikation unterschiedlicher "Skilehrer-Typen" sollten zudem die normative und kalkulative Komponente des Commitmentmodells berücksichtigt werden, um eindeutige Motive zu messen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Mitarbeitermangels im Tourismus wird es zukünftig notwendig, das Personalmanagement (insbesondere z.B. Führung und Förderung) genauer zu untersuchen, um effektive Maßnahmen zur Förderung der Bindung von SchneesportlehrerInnen und SaisonmitarbeiterInnen im Tiroler Tourismus zu entwickeln.

Literatur

Buonocore, F. (2010). Contingent work in the hospitality industry: A mediating model of organizational attitudes. Tourism Management, 31(3), 378–385. https://doi.org/10.1016/j.tourman.2009.04.005

Felfe, J. (2008). Mitarbeiterbindung. Wirtschaftspsychologie. Hogrefe. http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?id=3027910&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm 

Johnson, S. A., & Ashforth, B. E. (2008). Externalization of employment in a service environment: the role of organizational and customer identification. Journal of Organizational Behavior, 29(3), 287–309. https://doi.org/10.1002/job.477

Meyer, J. P., Stanley, D. J., Herscovitch, L., & Topolnytsky, L. (2002). Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization: A Meta-analysis of Antecedents, Correlates, and Consequences. Journal of Vocational Behavior, 61(1), 20–52. https://doi.org/10.1006/jvbe.2001.1842

Pelz, W. (2016). Transformationale Führung – Forschungsstand und Umsetzung in der Praxis. In C. von Au (Ed.), Wirksame und nachhaltige Führungsansätze (pp. 93–112). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11956-0_5

Rechnungshof Österreich. (2020). Bericht des Rechnungshofes: Bedarf an Fachkräften im Tourismus. Rechnungshof Österreich. Online verfügbar.

Schönewolf, C. (2015). Leben in der Blase [Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München]. DataCite. https://doi.org/10.5282/ubm/epub.27092

Spendlingwimmer, F. (2011). Aussteiger und Überlebenskünstler: Sinnfindung am anderen Ende des Planeten. Feldforschung: Vol. 6. Lit-Verl. 

van Dick, R. (2004). Commitment und Identifikation mit Organisationen. Praxis der Personalpsychologie: Vol. 5. Hogrefe. 

Denise Fecker MSc

Forschungsschwerpunkt
Wintersporttourismus, Leadership, Mitarbeiterbindung, Organizational Commitment, New Work
Position bzw. Aufgabe
PhD Studentin

Denise Fecker hat ihren Bachelor in "Mehrsprachige Kommunikation" sowie den Master "Markt- und Medienforschung" an der TH Köln absolviert. Zudem hat sie praktische Erfahrung in einem Kölner Marktforschungsinstitut gesammelt und arbeitet nebenher als Skilehrerin.

"Der TTR als Gesicht der Tiroler Tourismusforschung bringt allen Tourismus-Interessierten spannende Einblicke in aktuelle Themen in ganz Tirol. Um für Tiroler Entscheidungsträger stets fundiertes Wissen bereitzustellen, steht der TTR im ständigen Austausch mit Praxis und Wissenschaft, sodass es immer wieder Neues zu entdecken gibt."

Im TTR Team: seit August 2020

Zuständig für: Inspiration & Tourismusforschung

Titelbild: Tirol Werbung/Serfaus-Fiss-Ladis Marketing GmbH

Datum: 14.12.2021