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Revenue Management, loyale Gäste & Preisfairness

Wahrgenommene Preisfairness in der Tiroler Ferienhotellerie
Tirol Werbung
Der Anteil von Stammgästen in Tiroler Hotels ist hoch. Lisa Schwaninger untersuchte in ihrer Masterarbeit, wie Loyalität und Revenue Management mit der wahrgenommenen Preisfairness bei Gästen zusammenhängen.

TTR: Wieso ist das Thema Revenue Management und Kundenloyalität für die Tiroler Tourismuswirtschaft relevant?

Lisa Schwaninger: Aufgrund meiner beruflichen und privaten Erfahrungen in der Tourismusbranche ist für mich die Thematik der Kundenloyalität äußerst relevant. Stammgäste liefern einen großen Beitrag am Erfolg der Tiroler Ferienhotellerie, da in den überwiegenden Ferienhotels der Anteil mehr als 70% beträgt. Dies fällt auch auf, wenn man in persönlichen Gesprächen mit loyalen Gästen Aussagen wie „Tirol ist unser zweites Zuhause, wir kommen bereits seit 40 Jahren“ oder „wir verbringen seit Generationen traditionell jedes Jahr unseren Skiurlaub in einem Tiroler Hotel“ hört. Auf den ersten Blick mag dies „kitschig“ erscheinen, allerdings wird man von den Geschichten der Gäste sofort in den Bann gezogen. Tirol und seine Beherberger sind nicht nur Urlaubsdestinationen, für viele Stammgäste bedeutet es nachhause kommen. Umso wichtiger ist es, diese einzigartige Kundenbindung aufrechtzuerhalten und zu stärken. Besonders in Krisenzeiten kann man auf Stammgäste zählen. Dies hat der vergangene Sommer, in Anbetracht der Corona-Pandemie, gezeigt. Loyale Gäste sind treu. Umso wichtiger ist es, diesen Faktor im Zuge des Revenue Management (RM) zu beachten, da das primäre Ziel dieser Preisstrategie die Umsatzmaximierung ist. Daher gilt eine vorsichtige Umsetzung, um mögliche Schäden an der Kundenbeziehung zu vermeiden. Womöglich könnte dies einer der Gründe sein, warum nur 20% der Tiroler Ferienhotellerie RM anwenden. Die Befürchtung, Stammgäste mit variablen Preisen zu verärgern ist berechtigt. Meine Forschung zeigt, dass ein loyaler Gast eine „besondere Behandlung“ bzw. eine „andere Behandlung“ in der Preisgestaltung voraussetzt. Allerdings ist dies nicht ein Phänomen der Tourismusindustrie, wie bspw. Treuepunkte von Mobilanbietern oder spezielle Rabattaktionen für loyale Kunden von großen Modeketten zeigen.  

TTR: Welche Erkenntnisse in Bezug auf die wahrgenommene Preisfairness konnten Sie in Ihrer Arbeit gewinnen und welche Bedeutung haben diese für touristische Unternehmen?

Lisa Schwaninger: Allgemein wird unter dem Begriff der „Preisfairness“ eine subjektive Beurteilung einer Kundin oder eines Kunden hinsichtlich des Preises eines Verkäufers verstanden. Diese subjektive Beurteilung bezieht Faktoren wie Qualität, Nutzen und das Ergebnis der Transaktion mit ein. Aufgrund dessen ist die wahrgenommene Preisfairness besonders für die Dienstleistungsindustrien wie die Hotellerie von großer Bedeutung. Da es sich um ein immaterielles Produkt handelt, ist es für Gäste schwierig, die Qualität, den Nutzen und das Ergebnis vor dem Kauf einzuschätzen. Des Weiteren sind die Preisfairness und die daraus resultierende Beurteilung vor allem für die Kundenzufriedenheit essenziell. Dies bedeutet, es kann zu einer Erhöhung oder zu einer Abnahme der Kundenzufriedenheit kommen.

In meiner Forschung beschreibe ich, dass die wahrgenommene Preisfairness mit steigender Loyalität in Kombination mit RM sinkt. Demnach haben die Faktoren Loyalität und RM einen negativen Einfluss auf die wahrgenommene Preisfairness. Wie bereits erwähnt, erwartet sich ein loyaler Gast im Vergleich zu einem Neu-Gast eine „andere Behandlung“ in der Preisgestaltung. Sollte dies nicht der Fall sein, so hat dies negative Auswirkungen auf die wahrgenommene Preisfairness. Aufgrund dessen habe ich konkrete Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, um diese und weitere negative Auswirkungen zu verhindern.  

TTR: Welche konkreten Handlungsempfehlungen für die Tiroler Ferienhotellerie geben Sie in Ihrer Masterarbeit?

Lisa Schwaninger: Meine Masterarbeit erörtert eine äußerst relevante Thematik aus der wissenschaftlichen Praxis. Daher war es das primäre Ziel, konkrete Handlungsempfehlungen für die Tiroler Ferienhotellerie abzuleiten und diese möglichst einfach und praxisnah darzustellen. Dazu soll das von mir entwickelte Modell eine ganzheitliche Betrachtung der Faktoren und Hilfestellung für die Implementierung von Revenue Management in die Preis- und Marketingstrategie geben und zudem eine positiv wahrgenommene Preisfairness beim loyalen Gast sowie im Allgemeinen kreieren.

Modell

  1. Loyalitätsprogramm

Das Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass vor allem der Faktor Loyalität und die Anwendung von Revenue Management negative Auswirkungen auf die wahrgenommene Preisfairness haben. Demnach sollen insbesondere die loyalen Gäste in einem Tiroler Ferienhotel, das die flexible Preisstrategie anwendet, fokussiert werden. Dabei bietet der Einsatz von Loyalitätsprogrammen eine effiziente Lösung, um dem Gast spezielle Vorteile zu offerieren. Weiters sollen vor allem die Beziehung zum Gast und die Servicequalität verbessert werden, um Wettbewerbsvorteile zu generieren. Dementsprechend beinhaltet das empfohlene Programm eine Kombination der Aspekte Spezielle Angebote und Preise sowie Kundenbindung und Servicequalität. In meiner Masterarbeit sind dazu konkrete Beispiele angeführt.

  1. Kundenorientierter Ansatz

Der Gast soll als essenzielle und wesentliche Komponente in der Preisgestaltung betrachtet werden. Daher gliedern sich die Empfehlungen in zwei Bereiche: Wertversprechen und Segmentierung.

Wertversprechen: In der Hotellerie ist das Versprechen einer Leistung gegenüber dem Gast üblich. Eine Dienstleistung setzt Vertrauen des Gasts voraus, da dieser den Service im Vorhinein nicht beurteilen kann und sich auf die Angaben des Hotels verlassen muss. Daher ist es für touristische Unternehmen von essenzieller Bedeutung, den Wert des Service aktiv an seine Gäste zu kommunizieren.

Segmentierung: Neben der Kommunikation ist das Festlegen von kundenorientierten Preisen, die den wahrgenommenen Wert des Service widerspiegeln, von Relevanz. Es wird empfohlen, Gäste in verschiedene Kundensegmente zu gliedern, die eine ähnliche Wahrnehmung von Wert und Zahlungsbereitschaft aufweisen. Beispielsweise können Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Einkommen oder Ausbildung miteinbezogen werden. Jedoch gilt neben den klassischen Faktoren, das individuelle Kaufverhalten zu berücksichtigen. Die vorliegende Forschung zeigt, dass es einen Unterschied zwischen Geschäfts- und Ferienreisenden gibt. Des Weiteren können Merkmale wie Einzelreisender oder Familienreisender, loyaler Gast oder Neu-Gast und Buchungsverhalten beachtet werden. Für die Implementierung dieser Kundensegmentierung hinsichtlich der Preisgestaltung in der Tiroler Ferienhotellerie kann, der von mir für die Praxis konzipierte Entscheidungsbaum, herangezogen werden.

Flussdiagramm

  1. Preisinformation

Gäste, die keine Informationen hinsichtlich der Preisgestaltung haben, beurteilen die Situation als unfair und negative Auswirkungen auf die wahrgenommene Preisfairness entstehen. Hingegen haben Informationen zur Preisgestaltung positive Auswirkungen auf die wahrgenommene Preisfairness. Daher wird empfohlen, den Gast hinsichtlich der Zusammensetzung der Raten aufzuklären. Weiters sollen bei Einführung eines professionellen RM-Systems, die Gäste aktiv darauf aufmerksam gemacht werden. Diese Neuerung im Hotel könnte beispielsweise anhand eines Newsletters an bestehende Gäste kommuniziert werden. Jedoch gilt dabei, die Vorteile des Systems für den Gast zu fokussieren und auf die Möglichkeit des Loyalitätsprogramms hinzuweisen. So können die Vertrautheit des systembasierten RM in der Tiroler Ferienhotellerie gesteigert und mögliche negative Aspekte reduziert werden.

Die von mir konzipierten Handlungsempfehlungen haben das Ziel, negative Auswirkungen von Revenue Management auf den Gast in der Tiroler Ferienhotellerie zu reduzieren. Es wird empfohlen, sie als ganzheitlichen Ansatz in die Preis- bzw. Marketingstrategie des Hotels zu implementieren. Eine Kombination dieser Aspekte kann positive Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit und die Loyalität haben. Des Weiteren können anhand der Maßnahmen die Servicequalität erhöht und Wettbewerbsvorteile für das Hotel erzielt werden.

 

Lisa Schwaninger

Lisa Schwaninger

Bereits sehr früh erkannte Lisa Schwaninger ihre Leidenschaft für den Tourismus und durfte in verschiedenen Positionen praktische Erfahrungen sammeln. Zunächst im Service, während ihrer Ausbildung als Projektassistentin in einem renommierten Beratungsunternehmen für Hotellerie und Destinationsentwicklung, sowie als Marketing und Salesmanager in einem Tiroler Fünfsterne-Hotel. 2018 absolvierte sie das Bachelorstudium „Unternehmensführung in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft“ am MCI. Daraufhin entschied sie sich ihre akademische Ausbildung fortzusetzen und begann anschließend ebenfalls am MCI das Masterstudium „Entrepreneurship and Tourism“. Im Sommer 2020 hat Lisa Schwaninger mit ausgezeichnetem Erfolg das Studium abgeschlossen und ist nun in der Lebensraum Tirol Holding GmbH tätig.

Masterarbeit Betreuung: FH-PROF. Dr. Christoph Engl

 

Titelbild by Tirol Werbung

Beitrag vom 11.02.2021