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Trainingssimulator mit VR-Brille

Digitalisierung in der Lawinenausbildung
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Um die Kamerad:innen-Rettung zu fördern und Bergsportler:innen in möglichst realitätsnahen Szenarien ausbilden zu können, setzt das Land Tirol seit kurzem auf Virtual Reality.

TTR: Wie kam es zur Idee dieses Trainingssimulators mit VR-Brille?

Astrid Mair: Lawinen sind eine Gefahr im Alpenraum. Umso wichtiger ist es, Bergsportler:innen laufend zu sensibilisieren und zugleich Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen. Wird eine Person von einer Lawine verschüttet, zählt jede Sekunde. Je besser Ersthelfer:innen vor Ort ausgebildet sind und je schneller Verschüttete durch die sogenannte ‚Kamerad:innen-Rettung‘ gefunden und ausgegraben werden können, desto höher sind die Überlebenschancen. Gemeinsam mit dem Team des Lawinenwarndienstes des Landes haben wir uns überlegt, wie wir seitens des Landes einen Beitrag leisten können, um Bergsportler:innen, die bei einem Lawinenabgang vor Ort sind und eine ‚Kamerad:innen-Rettung‘ durchführen müssen, unterstützen zu können. Genau hier setzen wir mit dem neuen Trainingssimulator an: Das Tool bietet die Möglichkeit, entscheidende Rettungsmaßnahmen bei Lawinenunglücken realitätsnah zu üben. Damit können sich Wintersportbegeisterte noch besser vorbereiten und im Ernstfall effektivere Hilfe leisten. 

Norbert Lanzanasto: Die ‚Kamerad:innen-Rettung‘ ist eine der wichtigsten und effektivsten Formen der Rettung, da sie sofort nach Abgang einer Lawine startet und keine Zeit verloren geht. Um die dafür nötigen Fähigkeiten zu erlernen, werden von verschiedenen Institutionen Kurse im Gelände angeboten. Dabei lernen die Teilnehmer:innen, wie eine ‚Kamerad:innen-Rettung‘ funktioniert. Allerdings gibt es bei Kursen gewisse Einschränkungen. Die umfangreichen Vorbereitungen, die für die Durchführung realistischer Szenarien erforderlich sind und die begrenzte Zeit machen es sehr schwierig, mehrere Szenarien hintereinander im Gelände zu üben. Durch die Verwendung von Virtual Reality können realitätsnahe Szenarien simuliert und die Fähigkeiten in der ‚Kamerad:innen-Rettung‘ verbessert werden, ohne großen Zeitaufwand oder umfangreiche Vorbereitungen im Gelände zu benötigen.

TTR: Wie funktioniert die Lawinenübung mit der VR-Brille?

Astrid Mair: Im Simulator kann der gesamte Ablauf vom Einpacken des Rucksacks bis zum Eintreffen der professionellen Rettung geübt werden. Damit die Übung möglichst realitätsnah ist, haben wir uns für den Einsatz von Virtual-Reality-Technologie, also einer VR-Brille, entschieden. Wird die Brille aufgesetzt, taucht die Nutzerin oder der Nutzer in die virtuelle Welt des Übungssimulators ab. In dieser virtuellen Welt kann man sich umsehen, sich bewegen und mit den zusätzlichen Controllern Bewegungen ausführen. Kurz gesagt: Jeder Schritt – vom Packen des Rucksacks bis zum Ausschaufeln – der Übung fühlt sich im Simulator an, als würde man ihn in echt durchführen.

Norbert Lanzanasto: Der Trainingssimulator mit VR-Brille ermöglicht es, die Entscheidungsfindung und praktischen Fertigkeiten in einem sicheren und kontrollierten Umfeld zu üben – zum Beispiel auch im Hotelzimmer. Personen können realitätsnahe Szenarien immer wieder durchlaufen, um ihre Reaktionszeiten zu verbessern, effektive Handlungsmuster zu entwickeln und Fehler zu analysieren. Der Trainingssimulator ergänzt die praktischen Kurse im Gelände, indem er eine zusätzliche Möglichkeit bietet, die Fähigkeiten kontinuierlich zu trainieren und zu verbessern. 

TTR: Wie können sich interessierte Touristiker:innen an diesem Projekt aktiv beteiligen?

Astrid Mair: Der Simulator steht seit Oktober 2023 zum Download zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine kostenlose App, die auf geeignete VR-Brillen geladen und ohne zusätzliche Geräte wie PC oder Mobiltelefon genutzt werden kann. Damit kann der Simulator sehr flexibel eingesetzt werden. Man benötigt lediglich eine VR-Brille und eine Fläche von etwa vier mal vier Metern.

Norbert Lanzanasto: Dadurch wird es möglich sein, dass Berghütten den Gästen VR-Brillen zur Verfügung stellen und Szenarien am Abend vor einer Tour geübt werden können. Auch bei Kursen kann das virtuelle Üben eine Ergänzung sein. Und genauso könnten Tourismusverbände oder Hotels den Gästen durch Bereitstellen von VR-Brillen eine bisher nicht vorhandene Erfahrung ermöglich. Gleichzeitig werden wertvolle Fähigkeiten trainiert und ein Bewusstsein für die Gefahr in den winterlichen Bergen erzeugt.

Die Anwendung kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Norbert Lanzanasto und Astrid Mair, Land Tirol

Norbert Lanzanasto und Astrid Mair, Land Tirol

Astrid Mair wurde 1981 in Schwaz geboren. Nach ersten Berufserfahrungen beim Land Tirol hat sich Astrid Mair für eine Laufbahn als Polizistin entschieden und sich in weiterer Folge an der Sicherheitsakademie in Wien und an der Fachhochschule Wiener Neustadt weitergebildet. Nach einigen Stationen an verschiedenen Polizeiinspektionen und beim Landeskriminalamt sowie in der Fremdenpolizei ist Astrid Mair als erste Frau in Tirol zur Bezirkspolizeikommandantin bestellt worden. Politische Erfahrung hat sie unter anderem als Mitarbeiterin im Innenministerium sammeln können. Seit Oktober 2022 ist Astrid Mair Mitglied der Tiroler Landesregierung und dabei zuständig für Arbeit, Sicherheit sowie Zivil- und Katastrophenschutz und für Familie, Jugend und SeniorInnen.

Norbert Lanzanasto ist Lawinenprognostiker und Informatiker. Nach seinem Studium der Informatik und mehrjähriger Berufserfahrung als Software-Entwickler kam er während des Meteorologiestudiums 2015 als Praktikant zum Land Tirol. Er arbeitet inzwischen seit sieben Jahren beim Lawinenwarndienst des Landes. Im Projekt EUREGIO Lawinenreport hatte er die technische Leitung für die Umsetzung der grenzübergreifenden Lawinenvorhersage in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino.

 

Datum: 5.12. 2023

Bildnachweis: MediaSquad, Land Tirol/Simon Rainer, Land Tirol/Sedlak